Was ist Akupunktur ?
Die Akupunktur ist ein wichtiges Teilgebiet der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Es handelt sich um eine Jahrtausende alte Heilmethode der Chinesen, welche mittlerweile weltweit in vielen Ländern praktiziert und in neuerer Zeit auch auf Tiere übertragen wird.
Durch den Einstich von Nadeln in bestimmte Punkte können Körperfunktionen reguliert und so in erster Linie „funktionelle“ Krankheiten (wie z.B. Lähmungen, Allergien) geheilt und Schmerzen gelindert werden.
Die Philosophie
Alles dreht sich um das Wechselspiel zwischen Yin und Yang, welche gegensätzlichen Charakters sind, ohne einander nicht existieren können und miteinander in einem harmonischen Gleichgewicht stehen müssen, damit ein Lebewesen in seiner jeweiligen Umwelt gesund leben kann.
Im Mittelpunkt steht außerdem die Lebensenergie Qi, die in nicht materieller Form ebenso wie im stofflichen Bereich die Grundlage jeglichen Lebens darstellt. Qi durchfließt (unter anderem) in Leitbahnen, den Meridianen, den Körper und ist an bestimmten Punkten beispielsweise mit Nadeln erreichbar und somit zu beeinflussen.
12 sogenannte „Funktionskreise“, welche Organnamen wie Milz, Leber, Magen, aber auch „Perikard“ und „Dreifacher Erwärmer“ tragen, stellen die verschiedenen Aufgabengebiete innerhalb eines Organismus dar. Ihnen werden sowohl jeweils ein Meridian, spezifische innere Funktionen sowie Gefühle und einigen auch ein Teil der Seele zugeordnet.
Krankheiten werden aufgrund bestimmter Eigenschaften beurteilt. Hierbei beachtet man neben Yin und Yang vor allem Anzeichen von Hitze und Kälte, Fülle und Mangel sowie Innen und Außen.
Die fünf „Wandlungsphasen“ Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer können zur Typeinteilung, Klassifizierung von Krankheiten und zur Punktauswahl bei der Behandlung hinzugezogen werden.
-Anmerkung: es ist eine ganz andere, sehr interessante Denkweise, als wir hier „im Westen“ kennen. Es würde jeglichen Rahmen dieser Homepage sprengen, genauere Erläuterungen zu bieten. Jedem Interessierten kann ich als Literatur zum Einstieg in diese Materie „das große Buch der Chinesischen Medizin“ von Ted Kaptchuk empfehlen!
Untersuchung
Zunächst werden am Körper verschiedene Meridiane und spezielle Punkte abgetastet. Hier feststellbare Druckempfindlichkeiten und Schmerzreaktionen sind neben der Pulsqualität und Beschaffenheit der Zunge sehr wichtig zur Diagnosestellung. Desweiteren werden Kot, Urin und andere Körperabsonderungen, sowie Reaktion auf Hitze, Kälte und Wetterumschwünge und nicht zuletzt auch Verhalten und Emotionen bei der Erstellung einer „östlichen“ Diagnose berücksichtigt.
Diese könnte dann beispielsweise „Milz Qi Mangel“, „rebellierendes Magen Qi“ oder „aufflackerndes Leberfeuer“ heißen.
-Anmerkung: es handelt sich hierbei um eine von der westlichen „Schulmedizin“ sehr unterschiedliche Sichtweise: die Krankheit wird nicht auf ein mehr oder weniger lokalisierbares Symptom (wie z.B. Magengeschwür) reduziert, sondern es findet eine ganzheitliche Betrachtung des Patienten in seiner Beziehung zur Umwelt statt.
So zeigt dann auch jedes Tier ein vollkommen individuelles Disharmoniemuster.
Zur Verdeutlichung: in der Schulmedizin würden z.B. zehn Patienten mit Magengeschwür in der Regel die gleichen Medikamente bekommen. Dabei wird das Symptom Magengeschwür symptomatisch behandelt, egal was der Auslöser war und egal wie verschieden der Typ und der psychische Zustand der Patienten ist. Im Gegensatz dazu ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin jedoch eine Gleichbehandlung dieser zehn Patienten höchst unwahrscheinlich, da jeder ein anderes, sehr individuelles Krankheitsmuster zeigt, welches die auslösende Ursache (z.B. emotionaler Stress oder Fehlernährung) ebenso wie den Typ oder den Bezug zur Umgebung beinhaltet.
Behandlung
Nach der Diagnosestellung kommt es zur Behandlung, bei der Nadeln in bestimmte Akupunkturpunkte gestochen werden. Hierdurch kann man das Qi, die Lebensenergie, die in den Meridianen fließt, erreichen, aus- und umleiten und letztlich so Körper und Psyche stärken, beruhigen und harmonisieren.
Die Nadeln können noch mit speziellen Techniken stimuliert werden, bevor sie i. d. R. nach 10 bis 30 Minuten wieder gezogen werden.
Als „gesund“ gilt das Tier, sobald es wieder mit sich und seiner Umwelt in vollkommener Harmonie lebt. Anschließend könnte die Akupunktur als Gesundheitsprophylaxe weiterhin angewendet werden, damit das Tier in diesem ausbalancierten und harmonischen Gleichgewicht bleibt und somit allen möglichen krankmachenden Faktoren mit einem gesunden und kräftigen Immunsystem begegnen kann.
-Anmerkung: Früher wurde in China ein Arzt dafür bezahlt, diesen Zustand der Harmonie zu stabilisieren und somit jemanden gesund zu erhalten. Heute wird ein Arzt/Tierarzt leider selten zur Vorbeugung hinzugezogen sondern meistens erst zur Behandlung bereits bestehender Krankheiten.
Varianten
Eine besondere Form der Akupunktur ist die Moxibustion, bei der dem Patienten über das Abbrennen von Moxakraut (getrocknetes Artemisia vulgaris, Beifuß) Wärme zugeführt wird.
Bei der Akuinjektion spritzt man Medikamente (oft homöopathische Mittel) in bestimmte Akupunkturpunkte.
Eine moderne Variante ist die Laserakupunktur, bei welcher hochenergetisches Laserlicht die Nadeln ersetzt und so auch ohne jeglichen Einstichschmerz behandelt werden kann.
Die Ohrakupunktur unterscheidet sich grundsätzlich von der Körperakupunktur. Hierbei werden mit einem Punktsuchgerät, welches den elektrischen Hautwiderstand misst, von der Norm abweichende Punkte am Ohr festgestellt und diese anschließend mit Nadeln, Laser oder Kauter behandelt. Man hat festgestellt, dass das Ohr sozusagen ein „Mikrosystem“ darstellt: Körperregionen und Organe lassen sich bestimmten Flächen / Punkten auf der Ohrmuschel zuordnen.
Wirkungen
Es gibt keine einzelne Theorie zu den physiologischen Grundlagen der Akupunktur, die alle ihre Wirkungen erklären kann…
Die wichtigste histologische Gemeinsamkeit von Akupunkturpunkten sind nervale Strukturen: z.B. freie Nervenendigungen, große periphere Gefäß-Nervenbündel, Durchtrittsstellen von Gefäß-Nervenbündeln durch Faszien, Hautnerven, Aufzweigungen peripherer Nerven, aus der Tiefe kommende Nerven, Eintrittspunkte motorischer Nerven in den Muskel, usw…
Durch Stimulation dieser Punkte werden (unter anderem) Nervenimpulse entsendet; eine Reaktion erfolgt auf Rückenmarksebene ebenso wie im Zentralnervensystem. Neurotransmitter wie Endorphine, Serotonin und Katecholamine werden beeinflusst und das endogene Schmerzhemmungssystem wird aktiviert.
An bestimmten Punkten können Reflexbögen ausgelöst werden; an manchen Punkten wird großer Einfluss auf das Kreislaufsystem und/oder den Magen-Darmtrakt ausgeübt.
An der Einstichstelle wird das Gefäßsystem beeinflusst und es kommt zur Ausschüttung bestimmter Stoffe mit lokalen Wirkungen bis hin zur Verbesserung der humoralen Immunität.
-Anmerkung: der überwiegende Teil der bisherigen Akupunkturforschung konzentriert sich auf die Schmerzkontrolle, welche ja nur eine der vielfältigen Wirkungen darstellt…
So lässt sich vielleicht zusammenfassend sagen, dass die Akupunktur „zu multiplen physiologischen Effekten führt, welche die homöostatischen Regulationsmechanismen des Körpers aktivieren“.
Eine anatomische Entsprechung der Meridiane wurde bisher nicht gefunden; und trotzdem kann es sein, dass sich beim Tier (selten) Haare entlang dieser Leitbahnen aufstellen, und manche Menschen erleben ein Gefühl von Taubheit, Schwere oder Wärme, das vom genadelten Punkt entlang des Meridians ausstrahlt… muss alles erklärbar sein??? –
Anwendungsgebiete (unter anderem):
- Schmerzzustände
- Hautprobleme wie allergische Dermatitis, Lick Granuloma
- Probleme der Muskulatur und vom Skelettsystem, z. B. Rückenschmerzen, Arthritis, Diskopathien
- Respiratorische Probleme wie z.B. Asthma, COPD
- Störungen des Gastrointestinaltraktes, wie Durchfall, Kolik (nicht-chirurgische Fälle)
- Störungen des Nervensystems, z. B. Faszialisparese
- Fruchtbarkeitsstörungen
- Leistungsoptimierung (Im Hochleistungssport gehende Tiere sind genauso stark beansprucht wie menschliche Athleten. Sie können bessere Leistungen bringen je gesünder und kräftiger der Körper und je ausgeglichener die Psyche ist. Auch hier kann Akupunktur mit dazu beitragen, selbstverständlich gemeinsam mit vielen anderen Faktoren wie korrekter Hufbeschlag, passender Sattel, fähiger Reiter, maßvolles, vielseitiges Training, optimale Haltung und Ernährung, damit das Tier wirklich sein Bestes geben kann.)
- Generelle Gesundheitsprophylaxe
Hier muss betont werden, dass eine alleinige Behandlung des Tieres mit Akupunktur in vielen Fällen nicht ausreicht. Wünscht man eine optimale Versorgung seines Tieres, so ist die Akupunktur als Begleitung und Ergänzung zur Schulmedizin angebracht.
Tatsächlich bietet sie aber gerade in Bereichen, wo die westliche Medizin von „austherapiert“ spricht und aufgibt, noch weitere Hoffnung…